Wenn es um Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeit geht: Welche Note verdient Deutschland im internationalen Vergleich?
Der deutschen Wirtschaft würde ich eine „3“ geben. Der gute Wille ist da und Geschlechtergerechtigkeit im Sinne von Female Board, angemessene Bezahlung, mehr Chancen für Frauen, kommt langsam auf die Tische der Entscheider. Die Umsetzung bleibt aber immer noch hinter den Erwartungen zurück. Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen lag in Deutschland zuletzt bei 18 Prozent, bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation immerhin noch bei zwei bis sieben Prozent. Im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa den USA hinken wir hinterher. Dort geht man die Diversity-Thematik, die ja nicht nur Geschlechtergerechtigkeit betrifft, strukturierter an und hat sie institutionalisiert.
Was machen die USA besser?
Beispielsweise dürfen die dortigen Unternehmen ihren Mitarbeitern nicht verbieten, über das Gehalt zu sprechen. Das schafft Transparenz. Außerdem wird in Vorstellungsgesprächen nicht nach dem vorherigen Verdienst gefragt.
Es gibt umfangreiche gesetzliche Regelungen. Außerdem haben die Unternehmen Rahmenbedingungen geschaffen, in dem eine z.B. geschlechterbedingte Benachteiligung im Auswahlprozess weitestgehend ausgeschlossen wird. In vielen Unternehmen gibt es inzwischen Chief Diversity Officer, die die Einhaltung der Regeln und den Kulturwandel begleiten und verantworten. Berater:innen müssen sich inzwischen zuweilen verpflichten, eine bestimmte Anzahl an Frauen, Menschen anderer Hautfarbe etc. zu präsentieren. Die Beratungsunternehmen müssen sich bestimmten Regeln verpflichten und Chartas unterzeichnen, um z.B. für NGO`s oder Bundesunternehmen überhaupt suchen zu dürfen.
Wie sehen sie den Trend in Deutschland?
Bei Top-Führungspositionen hat sich die Lage schon spürbar verbessert. Immerhin 30,5 Prozent der DAX 40-Vorstände sind mittlerweile weiblich besetzt. Aber wir müssen weiter denken. Die Folge von Karrierepausen durch Elternzeit und teilweise geringere Einstiegsgehälter laufen für viele Frauen das ganze Leben irgendwie mit. Die Elternzeit-Pause verursacht eine stockende Karriereentwicklung und damit auch für ein Gap im Einkommen, im direkten Vergleich zu Männern.
Hier sind auch die Personalberater:innen in der Pflicht. Wenn wir mehr Frauen in gut bezahlte Positionen bringen möchten, müssen auch wir jetzt eine Extrameile gehen.
Wie geht man die Extrameile, um Frauen zu recruiten?
In bestimmten Berufsfeldern haben sie eine geringere Anzahl an weiblichen Kandidatinnen im Auswahlprozess. Dann muss man über alternative Strategien nachdenken und zum Beispiel überlegen, in welchen vergleichbaren Industrien oder Wirtschaftszweigen man suchen kann. Man muss entscheiden, an welcher Stelle man Kompromisse in der konkreten Erfahrung eingehen kann. Einfach jeden Stein doppelt umdrehen und nicht aufhören mit der Suche, bis man sich sicher sein kann, wirklich alle Optionen zur Gewinnung weiblicher Bewerber gezogen zu haben.
Sollten Frauen gegenüber qualifizierteren Männern bevorzugt werden?
Bei zwei völlig gleichwertigen Bewerbern könnte man sich für die Frau entscheiden. Darüber hinaus ein klares Nein. Das wäre nicht geschlechtergerecht und nährt das Vorurteil, dass Frauen nur durch die Quote auf ihre Posten kommen. Viel wichtiger ist ein Umdenken in Bezug auf die Konsistenz der Karrieren. Wenn Frauen während ihrer Laufbahn Kinder bekommen, wird diese unterbrochen und damit auch die berufliche Entwicklung gestört. Da müssen wir genauer schauen, was wirklich an Erfahrung fehlt und wie es nachgeholt werden kann. Oft geht das mit den in der Elternzeit erworbenen Soft Skills besonders schnell.